Friedrichshagen um 1900, 1903 musste diese Kirche der neuen weichen.

Hier hat Preußens „Großer König“, Friedrich II., um das Jahr 1750 eine „Spinnerkolonie bei Cöpenick“ und 200 Maulbeerbäume in den Sand gesetzt, schlesische und böhmische Baumwollspinner in niedrigen Lehmfachwerkhäusern beheimatet; Baumwolle für das Kostüm der Landesarmee sollte hier geerntet werden.

Später, 1842, wurde die Haltestelle Friedrichshagen auf der Strecke der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn von Berlin in Richtung Frankfurt (Oder) eröffnet. Das Nest entwickelte sich zu einem Villenvorort und zum beliebten Ausflugsziel für Berliner „Sommerfrischler“ – und erhielt um 1880 den Titel „Klimatischer Luftkurort“, mit zwei Badestellen am See, einem Kurpark mit Theater, Biergärten, Cafés und Hotels.


Wilhelm Bölsche 1908, Foto: Nicola Perscheid

Wilhelm Bölsche studierte von 1883 bis 1885 Philosophie, Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bonn und lebte ab Herbst 1887 in Berlin. Von 1890 bis 1893 redigierte er für den Verleger S. Fischer die „Freie Bühne“; die grünen Hefte galten als die wichtigste kulturpolitische Zeitschrift Deutschlands und als Organ des Naturalismus. Die Autoren trafen sich „im Grünen“.

Bölsche wohnte ab Sommer 1890 an wechselnden Wohnstätten in Berlin-Friedrichshagen: zunächst in der Scharnweberstraße 73, ab Frühjahr 1891 in der Wilhelmstraße 72 (seit 1951: Peter-Hille-Straße 66), ab 1894 in der Ahornallee 19. Ab Oktober 1893 lebte er in Zürich, wo er unter anderem Franz Blei und Anita Augspurg kennenlernte. 1894 kehrte er zurück nach Friedrichshagen. Er wurde – neben Bruno Wille – Zentralfigur des Friedrichshagener Dichterkreises und galt als „Seele und Geist von Friedrichshagen“.

1918 siedelte Bölsche dauerhaft nach Schreiberhau im Riesengebirge über, wo er viele Jahre in der „Villa Carmen“ in Ober-Schreiberhau und in den 1930er Jahren in der sog. Turmvilla in der Winklerstraße 736 (heutige ul. 1 Maja 33) wohnte.

Bölsche gab die Werke namhafter deutscher Schriftsteller heraus, so von Heinrich Heine (1887), Wilhelm Hauff (1888), Ludwig Uhland (1893), Christoph Martin Wieland (1902), Novalis (1903) sowie einzelne Schriften von Alexander von Humboldt, Ludwig Büchner, Carus Sterne und Angelus Silesius. Obwohl die meisten Schriften Bölsches naturwissenschaftliche Themen behandeln, war er kein Naturwissenschaftler, sondern hat als Schriftsteller naturwissenschaftliche Themen popularisiert: Als ein fachkundiger Laie schrieb Bölsche für Laien. Mit seinem Buch „Das Liebesleben in der Natur“ (1898) gilt Bölsche als der Schöpfer des modernen Sachbuches. Er war auch ein Initiator Deutschlands erster Volkshochschule und gab wichtige Impulse für die Lebensreformbewegung.

In Dutzenden von Büchern und „Kosmos“-Bänden popularisierte der Freidenker, Monist und Evolutionär das Wissen seiner Zeit, vor allem die Entwicklungslehre von Charles Darwin und Ernst Haeckel. Über Darwin, Haeckel und Johann Wolfgang von Goethe schrieb er Biographien. Außerdem betätigte er sich als Herausgeber zahlreicher Autoren.


Bölsche drückte es in seinem Buch, das den Titel „Die Naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie“ (1887) trug, folgendermaßen aus:

„Der Dichter … ist in seiner Weise ein Experimentator, wie der Chemiker, der allerlei Stoffe mischt, in gewisse Temperaturgrade bringt und den Erfolg beobachtet. Natürlich: der Dichter hat Menschen vor sich, keine Chemikalien. Aber… auch diese Menschen fallen ins Gebiet der Naturwissenschaften. Ihre Leidenschaften, ihr Reagieren gegen äußere Umstände, das ganze Spiel ihrer Gedanken folgen gewissen Gesetzen, die der Forscher ergründet hat und die der Dichter bei dem freien Experimente so gut zu beobachten hat, wie der Chemiker, wenn er etwas Vernünftiges und keinen wertlosen Mischmasch herstellen will, die Kräfte und Wirkungen vorher berechnen muss, ehe er ans Werk geht und Stoffe kombiniert.“
Ziel sei es, zu einer wahren mathematischen Durchdringung der ganzen Handlungsweise eines Menschen zu gelangen und Gestalten vor unserem Auge aufwachsen zu lassen, die logisch sind, wie die Natur.

In seinem Werk „Von Sonnen und Sonnenstäubchen“ (1903) machte sich Bölsche bereits Gedanken zu Landschaftsschutz, standortgerechter Forstwirtschaft und Vogelschutz:
„Ich dachte an leichtsinnig zerstörte deutsche Landschaftsschönheit. Die wundervollen Elbsandsteinfelsen bei der Bastei, von roher Steinbrucharbeit angenagt. Das idyllische Siebengebirge, die Perle der gesamten Rheinlandschaft, schon in weiten Teilen fortgefressen durch gleichen Raubbetrieb. Die Urwaldpracht des Spreewaldes von Jahr zu Jahr eingeengt, aufgesaugt von winzigen Augenblickszwecken einer wahren Pygmäenkultur1. Dazu eine nivellierende staatliche Forstkultur, die, um das Ärgernis eines hohlen Baumes zu beseitigen, eine schöne deutsche Vogelart um die andere am Mangel an Nistgelegenheit aussterben lässt. Landschaftliche Schutzgesetze, die zu spät kommen an Orten, wo ein Narr in einer Woche mehr roden und ausrotten kann, als die Natur in Jahrtausenden schenkt. Noch ist es zum Glück an unzähligen Orten nicht zu spät. Aber Heimatschutz muss eine Tat werden, eine Gewalt – nicht nur ein Wort. Wie unsere deutsche Landschaft dasteht, ist sie ein Kunstwerk, aus all seinem Zeitenwandel doch mit allen Mitteln der großen Zauberkünstlerin Natur einheitlich herausgestellt. Nun ist diese Natur eingesunken in uns, wir sind ihre Augen, ihre Hand.“

In der damaligen kolonialistischen Sichtweise betrachtete man die Pygmäen als primitiv und unzivilisiert, während diese Sichtweise heute einerseits überwiegend als Rassismus betrachtet wird und andererseits vermehrt die seit Jahrtausenden nachhaltig praktizierte Lebensweise vieler indigener Völker als vorbildlich erkannt wird.
Vermutlich bezieht sich Bölsche damit unter anderem auf das 1902 von Wilhelm II. erlassene „Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden“ (siehe Geschichte des Landschaftsschutzes).

1 In der damaligen kolonialistischen Sichtweise betrachtete man die Pygmäen als primitiv und unzivilisiert, während diese Sichtweise heute einerseits überwiegend als Rassismus betrachtet wird und andererseits vermehrt die seit Jahrtausenden nachhaltig praktizierte Lebensweise vieler indigener Völker als vorbildlich erkannt wird.
2 Vermutlich bezieht sich Bölsche damit unter anderem auf das 1902 von Wilhelm II. erlassene „Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden“ (siehe Geschichte des Landschaftsschutzes).